Einleitung. Der Traktat Jom Ṭob, nach dem Worte, mit dem er beginnt, auch Bêsza genannt, enthält die allgemeinen Vorschriften über die Feiertage, während die Traktate Pesaḥim, Rosch haschana, Jom hakkippurim (Joma) und Sukka die besonderen Gebote jedes einzelnen dieser Feste behandeln. Warum unser Traktat trotzdem erst hinter Sukka seine Stelle hat und nicht sofort auf ‘Erubin folgt, ist bereits in der Einleitung zum Traktat Scheḳalim (S. 260) erklärt worden. Der Feiertag unterscheidet sich vom Sabbat hauptsächlich dadurch, dass an ihm einige zur Speisebereitung erforderliche Tätigkeiten gestattet sind, die am Sabbat nicht verrichtet werden dürfen (s. Sabbat VII 2), insbesondere Schlachten, Enthäuten, Kneten, Kochen, Backen. Andere, wie Mähen, Dreschen, Mahlen, Sieben, Jagen bleiben verboten, wenn sie auch zur Beschaffung der Nahrung für den Feiertag notwendig wären. Wieder andere, wie Seihen, Auslesen, Zerstossen, Holzspalten, Messerschleifen sind in der gewöhnlichen Weise untersagt, in einer von dem werktäglichen Verfahren abweichenden Art erlaubt. Das Feueranzünden und der Transport auf öffentlichem Gebiet sowie aus privatem in öffentliches und umgekehrt ist auch dann gestattet, wenn es nicht dem Zwecke der Speisebereitung dient. Ein klares, konsequent durchgeführtes Prinzip lässt sich in diesen Bestimmungen nicht erkennen. Maimonides meint (Hil. Jom Ṭob I 5), dass alle Verrichtungen, die ohne Schaden für den Wohlgeschmack der Speise vor Eintritt des Festes erledigt werden können, verboten blieben, damit man diese Arbeiten nicht auf den geschäftsfreien Feiertag verschiebe und schliesslich an einer würdigen Feier des heiligen Tages gehindert werde. Leider reicht dieses vortreffliche und logisch begründete Unterscheidungsmerkmal nicht aus. So ist z. B. Fische zu fangen untersagt, Tiere zu schlachten erlaubt, obschon das Fleisch der Fische noch schneller als das der Rinder verdirbt (allerdings kann man Fische in einem Gefäss mit Wasser kurze Zeit am Leben erhalten). Auch darf man Obst nicht vom Baume pflücken, Gemüse nicht aus der Erde reissen, weil Getreide zu mähen verboten ist, obgleich frisches Obst und Gemüse besser als altes schmeckt; dagegen ist Salz, das doch gewiss nicht verdirbt, wenigstens auf eine sonst nicht übliche Art zu zerstossen gestattet, obwohl man Getreide unter keinen Umständen mahlen darf und Zerstossen ebenso zum Begriffe des Mahlens gehört wie Früchte pflücken zu dem des Mähens. Die Speisebereitung ist am Feiertage nur für diesen Tag gestattet. Ist der folgende Tag ein Sabbat, darf man für diesen nur dann am Feiertage kochen, backen, warmstellen oder Licht anzünden, wenn man schon vor Eintritt des Festes eine Speise für den Sabbat hergestellt hat. Mit anderen Worten: Man darf am Feiertage die Vorbereitungen für den Sabbat nicht erst in Angriff nehmen, wohl aber fortsetzen und vollenden. Den Namen ‘Erub Tabschilin (wörtlich: Vermengung der Gerichte), mit dem man diese Speise bezeichnet, kann man zur Not damit erklären, dass die am Feiertage herzustellenden Gerichte mit der vorher hergestellten Speise zum Sabbatmahl vereinigt werden; denn wenn diese am Feiertage aufgegessen wurde oder sonstwie abhanden kam, darf man im weitern Verlaufe des Tages nichts mehr für den Sabbat kochen. Wahrscheinlicher ist die Annahme, dass wir es hier mit einer Uebertragung des aus dem Traktat ‘Erubin bekannten Begriffes zu tun haben. Schon dort wird die Bezeichnung ‘Erub weniger auf die Verbindung der Höfe und die Verschmelzung der Sabbatbezirke (Einleitung daselbst Abs. 1 u. 4) als auf die Speise angewendet, durch welche diese Vereinigung bewirkt wird (s. das. Kap. III Anm. 21). So hat das Wort ‘Erub mit der Zeit die Bedeutung einer Speise erlangt, die die Umgehung eines rabbinischen Verbotes ermöglicht, und so wurde dieser Begriff später auch auf die Speise übertragen, durch die das rabbinische Verbot, am Feiertage für den Sabbat zu kochen und zu backen, ausser Kraft gesetzt wird. Nach beiden Talmuden entsprang dieses Verbot der Befürchtung, die unwissende Menge könnte zu dem Irrtum geführt werden, dass man am Feiertage nach Belieben kochen und backen dürfe, also auch für den folgenden Tag, selbst wenn dieser ein Werktag ist. Durch den ‘Erub wird nun den Leuten eingeprägt, dass man nicht einmal für den heiligen Sabbat ohne weiteres Speisen bereiten darf. Nach einer andern Erklärung, die sich nur im bab. Talmud findet, ist der ‘Erub eingeführt worden, damit man über den Vorbereitungen zum Feste nicht des unmittelbar sich anschliessenden Sabbat vergesse, sondern schon am Rüsttage des Feiertages die für den Sabbat erforderlichen Nahrungsmittel rechtzeitig herbeischaffe. Was am Feiertage verwendet werden soll, sei es ein Verbrauchs- oder ein Gebrauchsgegenstand, muss schon vor Eintritt des Festes für diesen Zweck bereit stehen (מוכן). Daher darf man in Freiheit lebende Tiere wie Tauben u. ä. nur dann schlachten, Bauhölzer nur dann zum Heizen benutzen, zum Verkauf bestimmte Geräte nur dann in Gebrauch nehmen, wenn man sie schon am Rüsttage dazu ausersehen hat. Andernfalls sind sie nicht מוכן, sondern מוקצה (dem Gebrauch entzogen, wörtlich: abgesondert) und dürfen am heiligen Tage nicht nur nicht verwendet, sondern nicht einmal von der Stelle gerührt werden. Das Wort מוקצה bezeichnet in erster Reihe die zum Trocknen ausgebreiteten Feigen (vgl. Ma‘serot II, 7—8 und III, 1), also Früchte, die man in der Absicht, sie vorläufig nicht zu geniessen, bei Seite gelegt hat. Neben diesem eigentlichen מוקצה (מוקצה דדחייה בידים) unterscheidet man noch folgende Arten: 1) נולד, alles was am heiligen Tage erst entstanden oder gebrauchsfertig geworden ist; 2) חסרון כיס מוקצה מחמת, was durch die Benutzung mehr oder minder entwertet wird, wie Waren und besonders feine oder empfindliche Instrumente; 3) מוקצה מחמת מאוס, alles Widerliche und Ekelerregende, z. B. schmutzige Gefässe; 4) מוקצה מחמת אסור, was einer verbotenen Tätigkeit dient wie Nähnadel, Schreibfeder u. dgl. — Gegenstände der letzten Art dürfen, wenn es Geräte sind, am heiligen Tage zu erlaubten Zwecken verwendet werden; auch darf man sie, wenn man den Platz braucht, auf dem sie liegen, entfernen und anderwärts hintragen; man darf sie nur nicht zu ihrem eigenen Schutze von ihrer Stelle bewegen. Aus dem Begriffe des מוכן und seines Gegensatzes מוקצה erklärt sich ein beträchtlicher Teil der Vorschriften unseres Traktates. Diese sind freilich nicht übersichtlich an einander gereiht, sondern fast über alle fünf Kapitel verstreut. Mit מוקצה beginnt der Traktat, und mit מוקצה schliesst er. Dazwischen befasst er sich insbesondere mit dem Gesetze über die Speisebereitung an Feiertagen. In der Hauptsache behandeln die beiden ersten Kapitel einige Streitfragen, in denen die Schulen Hillels und Schammais auseinander gingen, das dritte und vierte die Bedingungen, unter denen die Speisebereitung gestattet ist, und die Einschränkungen, denen sie unterworfen ist, während das letzte sich grösstenteils mit dem Sabbatbezirk (s. ‘Erubin, Einl. Abs. 4) solcher Gegenstände beschäftigt, an denen mehrere Personen einen Anteil oder ein Anrecht haben.